Wo die Musik spielt Wallfahrtsorte für Musikliebhaber

Musikfestivals locken an vielen Orten. Ein kurzer Blick auf den Veranstaltungskalender belegt die Vielfalt. Genauso wie Kunstinteressierte durch Museen tingeln, können Musikliebhaber die Konzertsäle und andere Spielstätten auf einer musikalischen Reise erkunden.

Es gibt Orte in Deutschland, die einen klingenden Namen haben. Gemeint ist dies im übertragenen Sinn. Ihre Namen stehen für Musik. Zum Wallfahrtsort für Wagner-Fans ist Bayreuth geworden. Dort trifft sich alljährlich die bundesdeutsche Prominenz (oder wer sich dafür hält) zur Eröffnung der Wagner-Festspiele.

Hamburg: Musicals und Philharmonie

Hamburg stand lange Zeit für ambitionierte Musical-Produktionen. Seit es die Elbphilharmonie gibt, gehört ein Besuch dieses imposanten Bauwerks zum touristischen Pflichtprogramm. Tickets für die Aussichtsplattform kann man einfach bestellen. Glücklich kann sich jedoch schätzen, wer in den Genuss einer Karte für den außergewöhnlichen Konzertsaal kommt. Wie Bayreuth und Hamburg gibt es viele Orte, bei denen sich ein musikalischer Besuch lohnt. Es sind bekannte und weniger bekannte Namen darunter.

Stuttgart: Ballett und Oper

Weltruhm genießt zum Beispiel das Stuttgarter Ballett. Und dies schon seit sechs Jahrzehnten. Zu einem weltweit führenden Ensemble geworden sind die Tänzerinnen und Tänzer in der baden-württembergischen Landeshauptstadt unter Ballettdirektor John Cranko, der von 1961 bis zu seinem Tod 1973 mit seinen Choreografien die Kritiker überzeugte. In der Nachfolge haben weitere bekannte Persönlichkeiten die Stuttgarter Compagnie geleitet, von Glen Tetley über Marcia Haydée und Reid Anderson bis zu Tamas Detrich. Für Ballettfans ist der Besuch der Vorstellungen ein Genuss (www.stuttgarter-ballett.de). Der Nachwuchs wird in der John Cranko-Schule ausgebildet, die vor wenigen Jahren einen imposanten Neubau bezogen hat. Daneben ist die Staatsoper Stuttgart ein musikalisches Aushängeschild der Stadt, die mit ihren großen Veranstaltungshallen aber auch viele internationale Popstars zu Gast hat. Und die Bach-Tage der Internationalen Bachakademie zählen inzwischen zu den musikalischen Highlights im Jahresverlauf.

Leipzig: Thomanerchor und Gewandhausorchester

Der musikalische Großmeister Johann Sebastian Bach ist eine zentrale Figur in einer anderen sehr von Musik geprägten Stadt: Leipzig. Bach, der hier begraben ist, wirkte als Thomaskantor. Und es ist für Besucher ein erhebendes Gefühl, einen Auftritt des Thomanerchors zu erleben. Der älteste Knabenchor Deutschlands kann auf eine 800-jährige Geschichte zurückblicken. Zur Aufführung kommen Chorwerke von Bach und von weiteren Komponisten.

Thomanerchor (Foto: Gerda Arendt, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons)

Bach ist nur einer von vielen Komponisten, die Leipzig zur Musikhauptstadt Deutschlands gemacht haben. Sie genießt auch international einen hervorragenden Ruf wegen ihrer Tradition und lebendigen Musikszene. Neben Bach haben hier bedeutende Musiker wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Edvard Grieg, Gustav Mahler, Clara und Robert Schumann gewirkt. Außerdem wurden Hanns Eisler und Richard Wagner in der sächsischen Stadt geboren, in der man sich auf den Spuren der bekannten Musiker bewegen kann.

Neben dem Thomanerchor ist ein weiteres international hoch angesehenes Ensemble in Leipzig beheimatet: das Gewandhausorchester. Jährlich würdigt die Stadt ihren bekanntesten Sohn und richtet ein Internationales Bachfest aus (www.bachfestleipzig.de). Alle zwei Jahre gibt es einen Internationalen Bach-Wettbewerb. Ebenfalls in Sachsen ist ein weiterer bekannter Musiktempel zu finden. In Dresden ist die Semper-Oper ein kultureller Mittelpunkt. Doch nicht alle Aufführungen können hier den hohen Erwartungen gerecht werden, mit denen Besucher oft anreisen.

Bad Wildbad im Schwarzwald: Belcanto Opera Festival

Doch nicht alle Orte, die sich zu musikalischen Zentren gemausert haben, sind auch für ein internationales Publikum solche Touristenmagnete wie Leipzig und vor allem auch Dresden, wo der Wiederaufbau der Frauenkirche ein großes internationales Echo ausgelöst hat. Bad Wildbad im Schwarzwald ist ein eher verträumtes Städtchen, das durch Attraktionen wie einen Baumwipfelpfad oder eine abenteuerliche Hängebrücke Besucher anlocken will. Aber auch die Musik spielt inzwischen eine nicht unerhebliche Rolle. Zwar hat es Diskussionen im Gemeinderat gegeben, ob angesichts hoher städtischer Zuschüsse das Musikfestival „Rossini in Wildbad“ überhaupt weitergeführt werden soll. Aber nachdem man sich auf einen Höchstzuschuss von 135.000 Euro geeinigt hat, können die Macher des Belcanto-Opernfestivals weiter planen.

Die Stadt freut sich, dass inzwischen Besucher aus aller Welt kommen. Schließlich ist der künstlerische Leiter Jochen Schönleber jedes Jahr auf der Suche nach neuen jungen Stimmen. Das Rossini-Festival ist den Angaben zufolge „weltweit bekannt für seine Neuentdeckungen im Belcanto-Opernrepertoire und für seine Sängerentdeckungen, die zu zahlreichen CD-Produktionen mit Referenzcharakter geführt haben“. Mit ihnen gibt es mitten im Nordschwarzwald große Oper. Die Spielstätten sind ungewöhnlich. Im Kurpark liegt nicht nur das Königliche Kurtheater, das als Schweizer Chalet mit neobarocken Elementen beschrieben wird, sondern auch die im neusachlichen Stil gebaute Trinkhalle. Weitere Spielstätten stehen noch zur Verfügung.

Der Grund für das Festival liegt in der Geschichte. Im Juni 1856 weilte der damals sehr erfolgreiche Opernkomponist Gioachino Rossini für mehrere Wochen in der Schwarzwaldidylle Wildbad und genoss die beruhigende Wirkung der Thermen in den fürstlichen Bädern. Der Erfolg blieb nicht aus. Schon 1857 nahm er nach jahrzehntelanger Unterbrechung das Komponieren wieder auf. So entstanden Werke, die der Komponist selbst mit Augenzwinkern als „Sünden des Alters“ bezeichnete. In Erinnerung an diesen denkwürdigen Aufenthalt werden bis heute Rossinis Werke aufgeführt, bewusst auch die weniger bekannten.

Das Opern- und Musikfestival wurde 1989 ins Leben gerufen. Seit 1991 steht es unter der künstlerischen Leitung von Schönleber, der seit 2000 auch Intendant ist. Nachdem es anfänglich den Untertitel „Das musikalische Sommerfest“ getragen hat, wird es heute mit dem Hinweis „Belcanto Opera Festival“ versehen. In der 2004 gegründeten Belcanto-Akademie gibt es jedes Jahr Kurse mit renommierten musikalischen Vorbildern. In europäischen Opernmetropolen wie Berlin, Florenz oder Madrid wird jedes Jahr zum Vorsingen für die Einschreibung bei der Akademie eingeladen. In diesem Jahr findet das Festival vom 18.-28. Juli statt (www.bad-wildbad.de).

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