Ein Schatz der Kirchen Musik als Brücke zur Gesellschaft

Das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) dokumentiert das Musikleben und Trends beim Musizieren. Über die Bedeutung von Musik für Gesellschaft und Kirche sprach aspekte-Redakteur Rainer Lang mit Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrats, sowie Stephan Schulmeistrat, Leiter des miz.

Womit beschäftigen Sie sich im miz, und welche Rolle spielt die Kirchenmusik dabei?

Stephan Schulmeistrat: Wir informieren über das Musikleben in Deutschland, bei uns können Sie sich einen Überblick über alle zentralen Bereiche verschaffen, ob das die Musikwirtschaft, das Konzertwesen oder die musikalische Bildung ist. Auch zur Kirchenmusik haben wir ein eigenes Themenportal. Das haben wir inhaltlich allerdings weiter gefasst, weil auch andere Religionen in Deutschland eine Rolle spielen. Dort finden Sie neben Informationen zur Infrastruktur zahlreiche Fachbeiträge und musikstatistische Daten, z.B. wie viele Menschen in der evangelischen und katholischen Kirche musizieren und wie sich der Beruf von Kirchenmusiker:innen entwickelt hat.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Kirchenmusik vor allem im Bereich der Amateurmusik?

Antje Valentin: Seit Langem zeichnet sich bei den Chören ein Rückgang ab, der durch Corona beschleunigt worden ist. Insgesamt bleibt das Amateurmusizieren aber eine ganz gewichtige Größe, wie eine Studie des miz bestätigt hat. 14,3 Millionen Menschen in Deutschland musizieren in ihrer Freizeit, die Kirche rangiert auf Platz 4 der häufigsten Orte des Amateurmusizierens. Knapp ein Fünftel aller Menschen, die in ihrer Freizeit Musik machen, tun dies im kirchlichen Rahmen, zum Beispiel im Kirchenchor. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften gehören damit zu den wichtigsten Kulturträgern in Deutschland. Durch Musik schaffen sie eine Brücke zur Gesellschaft.

Wie sieht das Berufsbild des Kirchenmusikers / der Kirchenmusikerin aktuell aus? Welche Entwicklungen hat es hier in den letzten Jahren gegeben?

Schulmeistrat: Wenn wir einmal nur auf die evangelische Kirche schauen, so können wir in den zurückliegenden zehn Jahren mit insgesamt 1.900 hauptamtlichen Kirchenmusiker:innen von relativ konstanten Beschäftigungszahlen sprechen. Zwar ist ihre Zahl um 3,5 Prozent leicht zurückgegangen, im gleichen Zeitraum stieg jedoch die Quote der Vollzeitbeschäftigten. Waren es 2010 58 Prozent, sind es nun 63 Prozent, vielleicht auch weil sich mittlerweile immer mehr Gemeinden eine Musikerstelle teilen.

Die Hauptamtlichen machen allerdings nur einen Bruchteil der Kirchenmusiker:innen aus. Wir schätzen, dass 90 Prozent nebenamtlich oder ehrenamtlich tätig sind. Das sehen wir ebenso in der katholischen Kirche. Die Lage dürfte dort vergleichbar sein.

Wie viele Neben- und Ehrenamtliche sind das denn?

Valentin: In der katholischen Kirche engagieren sich insgesamt knapp 13.000 neben- und ehrenamtliche Kirchenmusiker:innen. Das ist ein enormer Schatz sowohl für den professionellen als auch den Amateurbereich. Das Ganze ist fließend. Von den Amateuren machen viele gern eine C-Ausbildung und lassen sich zu nebenamtlichen Kirchenmusiker:innen ausbilden. Sie werden Organist:innen oder Chorleiter:innen, sind speziell geschult in Gregorianik, Gehörbildung und lernen Tonsatz. Die C-Ausbildung ist oftmals auch das Eingangstor ins Lehramt und andere Musikberufe. Als Kirchenmusiker:in erlernt man musikalische Kenntnisse auf einer breiten Basis, auf der man aufbauen kann.

Schulmeistrat: Ich habe selbst diese Erfahrung gemacht. Auch ich habe vor langer Zeit einmal ein C-Examen abgelegt. Die Grundlagen, die ich da erlernt habe, haben vielfach geholfen, auch außerhalb der Kirchenmusik, z.B. in meinem Studium der Musikwissenschaft. Die Ausbildung zum nebenamtlichen Kirchenmusiker funktioniert im evangelischen Bereich etwas anders als in der katholischen Kirche, wo ich sie absolviert habe. Sie ist dezentraler organisiert.

Welche Rolle spielt die Musik in der Kirche für die Gesellschaft?

Valentin: Es ist augenscheinlich, dass viele Menschen ihre Religiosität mit Musik verbinden. Mitgliedschaftsuntersuchungen haben gezeigt, dass sie ein Lockfaktor in die Kirche ist, viele Menschen gehen gerade aufgrund der Musik in den Gottesdienst oder besuchen eine Kirche, weil dort ein Konzert stattfindet. Insgesamt spielen die Kirchen gerade auch im ländlichen Bereich eine ganz große Rolle im Bereich der musikalischen Grundversorgung. Hier haben wir ein mächtiges gemeinschaftsbildendes Element. Kirchen können auch für säkulare Konzerte als Veranstaltungsorte genutzt werden. Hier ist die Kirche ein wichtiger Faktor für die Begegnung von Menschen in einer Region.

Schulmeistrat: Kirchenmusik ist eine wichtige Brücke in die Gesellschaft. Viele Menschen, die nicht unbedingt einen Bezug zur Kirche haben, lieben Kirchenmusik. Es gibt in Deutschland z.B. über 20 Kirchenmusikfestivals, die oftmals für Innovation und Entwicklung stehen, sozusagen als ein Motor der Kirchenmusik. Ein Beispiel ist das Marktoberdorfer Festival Musica Sacra mit seinen interreligiösen Ansätzen. Kirchen ziehen durch ihre Musik ein überkonfessionelles oder auch nichtreligiöses Publikum an. Allein die Passionen von Bach sind für ganz viele Menschen ein besonderer musikalischer Schatz.

Valentin: Im Argen liegen jedoch noch die Entgelte für Kirchenmusiker:innen. Diese lassen zu wünschen übrig. In diesem sehr anspruchsvollen Job muss man grundsätzlich an Sonntagen und Feiertagen arbeiten. Auch die Honorare für die zusätzlich bestellten Musiker:innen, die in Orchestern die Chöre begleiten, sind häufig extrem niedrig. Hier muss eine fairere Vergütung umgesetzt werden.

Insgesamt erlebt der Amateurbereich beim Musizieren einen Aufschwung. Das belegt die oben erwähnte Studie des miz zur Amateurmusik. Wichtig zu erwähnen ist, dass knapp die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 15 Jahren musiziert. Das liegt auch an den schulischen Programmen, wie „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ in NRW oder „Jedem Kind ein Instrument“ in Hamburg. Erfreulicherweise nimmt die Anzahl der Kinderchöre auch wieder sehr zu. Es besteht also Hoffnung für die Musik, auch wenn leider der fachlich profunde Musikunterricht an Schulen immer mehr abnimmt.


Das miz, die Informations- und Dokumentationseinrichtung des Deutschen Musikrats, gibt es nun mehr als ein Vierteljahrhundert. Es versteht sich als zentrale Anlaufstelle rund um das Musikleben in Deutschland. Es dokumentiert Strukturen, Entwicklungen und Trends, bietet aber auch praktische Angebote wie ein zentrales Informationsportal für Kurse zur musikalischen Fort- und Weiterbildung. Die Online-Datenbanken des Deutschen Musikinformationszentrums (miz) führen unter dem Stichwort Musik im Christentum über 400 Institutionen auf.

 

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